Die höchstgelegene Straße der Alpen, eine Bergbahnstation aus geschwungenen Stahlrippen und ein Gipfelrestaurant im Eiswürfel-Design. Mit einem Wort: Sölden. Im bekanntesten Skiort der Ötztaler Alpen endete die Jagd der James-Bond-Macher nach dem perfekten Drehort für eine der spektakulärsten Action-Szenen des neuesten Films.
„Spectre“ sollte „Skyfall“ unbedingt toppen. Co-Produzent Gregg Wilson wollte daher eine „vollkommen irre Sequenz“ abliefern, wie er am Set erklärte. Und nach getaner Arbeit in 3.048 Metern Seehöhe schwärmte er: „Es wird spektakulär. Tirol hatte alles, was wir brauchten, um solche Sequenzen zu drehen.“
Dennis Gassner, Produktions-Designer und Location-Scout, freute sich diebisch, die Tradition der typischen Bond-Szenen fortsetzen zu können: „Und was wäre aufregender, als ganz oben zu sein, on top of the world?“
Dass Agent 007 auf den Gaislachkogl kam, ist vor allem dem Engagement von Jakob Falkner zu verdanken. Der Chef der Söldner Bergbahnen hatte im April 2014 auf einer Veranstaltung mitbekommen, dass die Produktionsfirma Sölden als Drehort in Erwägung zog. Von da an begann Falkners ganz persönliche Mission 007 – nämlich den 24. Bond-Film in die heimische Bergwelt zu holen. Falkner gab ihr den Codenamen „B 24“.
Über die österreichische Filmkommission „Location Austria“ als Anlaufstelle für internationale Filmproduktionen und Dreharbeiten in Österreich stellte er den Kontakt zur Produktionsfirma her. Im Auftrag seiner Tourismuskollegen reiste er nach London, um „den Verantwortlichen unser definitives Interesse zu signalisieren, indem wir zu ihnen kommen. Der Ort ist leicht zugänglich, die Logistik ist hervorragend, das Panorama herrlich“, argumentierte er.
Eine Unwägbarkeit war aber in Kauf zu nehmen, denn im Winter ist die Gletscherstraße wegen Lawinengefahr normalerweise gesperrt. Dieser Gefahr würde man keine Touristen aussetzen, also auch nicht Daniel Craig. Zurück in Sölden, scharte Falkner ein kleines Team um sich. Niemand sonst durfte von der Mission „B 24“ erfahren. Wenig später wurde dann offiziell bekannt gegeben, worüber die Medien schon spekulierten: Sölden wird ein Bond-Ort.
Im Dezember 2014 machte die Filmcrew einige Probeaufnahmen. Falkner hatte nur die Bedingung gestellt, dass Sicherheit vor geht. Doch die Straße konnte geöffnet werden. So fiel im Jänner 2015 die Klappe für die „first unit“ mit Hauptdarsteller Daniel Craig, Bond-Girl Léa Seydoux und „Mr. Hinx“ Dave Bautista, im Februar wurde mit Stuntmännern weiter gedreht.
Nach drei Wochen Gesamtdrehzeit waren Autojagden und Schießereien vor der weißen Gipfelkulisse im Kasten. Einige Action-Szenen vom Originalschauplatz wurden in London in einem nachgebauten „Ice Q“ vervollständigt. Im Film sind Fälschung und Original aber nicht zu unterscheiden sein.
Auch im Osttiroler Bergdorf Obertilliach wurden Szenen für den neuen Bond-Film gedreht. Die Filmcrew reiste mit Schnee, einem Sportflugzeug und einem Stadl in der Gemeinde in Osttirol an. „Bond-Haus“ tauften die Einwohner von Obertilliach den Stadl. Er war am oberen Rand einer Piste im Skigebiet Golzentipp aufgebaut worden. An insgesamt vier Orten in Obertilliach wurde für „Spectre“ gedreht. Für die Szenen im und rund um das „Bond-Haus“ und auf der dazugehörigen Skipiste war auch Hauptdarsteller Daniel Craig Mitte Jänner 2015 für drei Tage vor Ort.
Eine weitere Location war der denkmalgeschützte Ortskern von Obertilliach in Osttirol. „Wegen des historischen Dorfkerns ist die Filmcrew überhaupt auf uns gekommen“, erzählt Bürgermeister Matthias Scherer. Seit März 2014 wusste er, dass Obertilliach sich in der engeren Auswahl befand. Bald hieß es, dass sich die Produktionsfirma auch gar nicht mehr um Alternativen bemühen wolle, wenn die Gemeinde zusagt.
Scherer ergriff die Chance: „Mir war gleich klar – da muss ich zuschlagen. Ein solcher Dreh ist wie ein Sechser im Lotto für unseren Tourismusort“. Die Vorarbeiten begannen noch Anfang September 2014. Damit der Ortskern auch tief winterlich erscheint, wurde mit extra Schnee nachgeholfen.
Mitte Jänner 2015 wurde auf der Piste gedreht, wofür der Lift für zwei Tage gesperrt werden musste. Spektakulär ging es auch in einem Waldstück neben dem Skigebiet Golzentipp zu. Dort wurde ein Sportflugzeug durchgejagt. „Im Winter zuvor wurde eine Schneise geschlagen, um die Stromleitungen, die durch die Schneelast immer wieder ausgefallen sind, in den Boden zu verlegen“, erzählt Dorfchef Scherer von der zwar nicht für den Dreh geplanten, aber im Nachhinein sehr praktischen Vorarbeit.
Scherer zieht ein ähnliches Fazit wie die Verantwortlichen in Sölden. Die Arbeit sei sehr angenehm gewesen und viel unkomplizierter und vor allem weniger förmlich, als man es sich vorgestellt hatte. Anfängliche Bedenken seitens der Dorfgemeinschaft hätten sich bald zerstreut, betont der Bürgermeister: „Auch weil sich die Produktionsfirma bemüht hat, den Anrainern entgegen zu kommen. Das war alles sehr professionell.“ Und am Ende war das Ganze wohl auch ein wenig aufregend für die Obertilliacher. Ein britischer Geheimagent in einer Osttiroler 687-Seelen-Gemeinde ist eben nicht alltäglich…
Fakten zum James-Bond-Dreh in Tirol
→ 8,9 Millionen Euro produktionsbedingte Ausgaben in Tirol für Unterkunft, Verpflegung, Transport, Mieten, Gagen und Sonstiges
→ 31 Drehtage in Tirol
→ 30.000 Nächtigungen durch Cast und Crew in Tirol
→ 600 Filmschaffende in der internationalen Crew
→ 250 Filmschaffende aus Österreich bzw. Tirol
→ 210 Zulieferfirmen aus Österreich bzw. Tirol