„Du Kamel!“ gilt mancherorts als Schimpfwort, wird aber in der arabischen Welt als Kompliment verstanden – auch im Sultanat Oman, wo die vierbeinigen Wüstenschiffe als arbeitseifrige, ausdauernde und kluge Tiere mit vielen Vorzügen geachtet werden.
Das einhöckrige Dromedar ist aus der Geschichte und dem Alltag der Omanis nicht wegzudenken. Die Reisenden begegnen ihm im Oman häufig bei überraschenden Gelegenheiten – vom Bad im Wadi über Schönheitswettbewerbe bis zum Kamelmilch-Cocktailkurs und sogar im Straßenverkehr. Erlebnisse rund um das Kamel bieten viele Möglichkeiten, tief in die Kultur und die Traditionen des Landes einzutauchen.
Schwimmende Kamele
Dromedare sind bekannt dafür, extrem hohen Temperaturen zu trotzen und lange Zeiträume ohne Wasser auskommen zu können. Dornige Sträucher gehören zu ihren Leibgerichten. Umso überraschender ist, dass man die Tiere im Dhofar – der südlichsten Region des Oman – auch direkt am Sandstrand des Ozeans oder in den türkisfarbenen Gewässern der Wadis antrifft. Dort stillen sie ihren Durst und erfrischen sich. Einige schwimmen sogar im Meer, um von einer Bucht in die nächste zu gelangen, wo dann am Strand neue Nahrung oder ein möglicher Partner wartet. Ein skurriles und gleichzeitig äußerst beliebtes Fotomotiv.
Schwarze Kamele im hellem Wüstensand
Schwarze Dromedare sind selten und kommen nur in der Grenzregion von Oman, Jemen und Saudi-Arabien vor. Im Oman bildet die Rub al-Khali – die größte zusammenhängende Sandwüste der Welt – ihren Lebensraum, wo sie von den Beduinen gezüchtet werden. Dromedare werden – wie hierzulande die Kühe – in Milch- und Fleischrassen unterschieden, wobei die schwarzen Exemplare besonders für ihr Fleisch geschätzt werden. Gleichzeitig sind sie ein Statussymbol für wohlhabende Familien und Stämme und werden oft mit Prestige, Macht und Reichtum in Verbindung gebracht.
Der Cocktail aus Kamelmilch
Im Alila Hinu Bay Resort in Mirbat – rund eineinhalb Autostunden östlich von Salalah im Süden des Oman – erhalten die Gäste bei Workshops über Kamelmilch-Cocktails oder ‑Mocktails eine Einführung in die Kunst des Getränkemixens mit dieser besonderen Zutat. Kamelmilch wird im Oman gerne frisch nach dem Melken aus einer Schale getrunken, doch auch für besondere Mixgetränke eignet sie sich perfekt.
Die Milch der Dromedare ist sehr vitaminreich und hat einen hohen Mineraliengehalt, beinhaltet weniger gesättigte Fettsäuren als Kuhmilch sowie kaum Cholesterin. Dafür ist sie leicht verdaulich, wirkt als natürliches Probiotikum und stärkt das Immunsystem. Ein beliebter Drink des Resorts ist der Cocktail „Desert Rose“ mit Kamelmilch, Vodka, Erdbeerpüree und Sirup.
Das schönste Kamel im ganzen Land
Im Oman gibt es nicht nur Kamelrennen, bei denen die schnellsten Tiere – ähnlich wie bei den Pferderennen in Europa – gegeneinander antreten. Auch Schönheitswettbewerbe rund um die Wüstentiere finden hier statt. Mit Accessoires wie Schmuck, Quasten und Girlanden geschmückt, werden die Dromedare nach verschiedenen Kriterien beurteilt – darunter Abstammung, körperliche Verfassung, Größe, Form und Aussehen, wobei Augen und Lippen besonders im Fokus stehen.
Aber auch das Verhalten der Kamele und die Art und Weise, wie sie sich bewegen, werden von der jeweiligen Jury berücksichtigt. Die Gewinner des Wettbewerbs erhalten Geldpreise und Zertifikate. Reisende, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind, können diesem besonderen Spektakel als Zuschauer beiwohnen, das meist durch eine elektrisierende Atmosphäre und sogar den Besuch von VIPs aus dem ganzen Land gekennzeichnet ist.
Flanierende Kamele am Straßenrand
Die Tradition der Kamelhaltung ist im Alltag der Omanis – insbesondere bei den Bewohnern des Dhofar – tief verankert. Viele Familien besitzen Kamelherden, die von Generation zu Generation meistens an den ältesten Sohn vererbt werden, und genießen täglich frische Kamelmilch. Eine Stute gibt bis zu 20 Liter Milch am Tag. Hat sie ein Fohlen, darf sie dieses üblicherweise sechs Wochen lang stillen.
Nach dieser Zeit wickelt der Kamelhirte einen Jutesack um das Euter des Tieres, sodass das Kalb nicht mehr die gesamte Milch trinken kann. Reisende treffen im Dhofar fast überall auf Dromedare. Leider auch auf den Straßen, wo die Tiere dem Verkehr wenig Beachtung schenken. Sie sind jedoch nicht herrenlos, sondern durch Markierungen auf dem Fell klar ihrem Besitzer zugeordnet. Tagsüber bewegen sich die Herden frei zum Weiden, während sie abends zurück zu ihren Herren eilen.
Originelle Speisen mit Kamelfleisch
Dromedare landen in Oman zu besonderen Anlässen auch im Kochtopf. So wird ihr Fleisch beispielsweise zu Feierlichkeiten wie dem Ende des Ramadan verzehrt. Es wird auf vielfältige Weise zubereitet und gekocht – zum Beispiel ummantelt von Bananenblättern mit einer speziellen Gewürzmischung sowie Datteln und Nüssen versehen und 48 Stunden im Erdofen gegart. Diese Spezialität ist als „Shuwa” bekannt.
Ausgewählte Restaurants bieten Gerichte mit Kamelfleisch das ganze Jahr über für Verkostungen an und machen sie damit auch für Reisende erlebbar. Wer Street Food mag, besucht einen der unscheinbaren Verkaufsstände, die sich an geschäftigen Straßen im Dhofar befinden. Hier werden auf heißen Steinen gegrillte Kamelfleischstücke oder Kamelburger serviert.
Autorin: Elisabeth Kapral
Als Juristin hat Elisabeth gelernt, exakt zu formulieren. Das kommt ihr jetzt zugute, wenn sie für travel4news schreibt. Worüber sie schreibt, weiß sie dabei ganz genau, denn sie hat bereits 108 der 193 in der UNO vertretenen Länder besucht – und viele von ihnen auch mehrfach.