Lissabon ist bekannt für seine beeindruckenden Azulejos. Diese kunstvollen Fliesen zieren seit Jahrhunderten die Hauptstadt von Portugal und verleihen ihr einen unverwechselbaren Charme. Bis heute sind die Besucher fasziniert von der farbenfrohen Pracht, die an den Hausfassaden, in den Kirchen und in zahlreichen öffentlichen und privaten Gebäuden zu bewundern ist.
Die Azulejos sind ein Erbe der Mauren, die zunächst ihre Bauwerke in Spanien mit den Fliesen schmückten. Das Wort „Azulejos” kommt daher auch nicht – wie man vielleicht vermuten könnte – vom portugiesischen „Azul” für Blau, sondern aus dem Arabischen. Der Begriff leitet sich von „al zuléija” ab, was so viel wie „poliertes Steinchen” bedeutet.
Nach Portugal kamen die ersten Azulejos im 14. Jahrhundert. Dass sie hier auch produziert wurden, geht auf König Manuel I. zurück. Er bestellte sie, um einen seiner Paläste damit zu schmücken. Daraufhin entwickelten sich die quadratischen Kacheln zum Exportschlager und wurden im Laufe der Jahrhunderte zu einem integralen Bestandteil der portugiesischen Kunst und Architektur.
Zunächst waren die Azulejos ausschließlich mit Ornamenten bemalt. Später kamen gegenständliche Bilder dazu, die uns heute Geschichten von der Kultur und den Traditionen Portugals aus vergangenen Jahrhunderten erzählen. Bei den ursprünglichen Azulejos trennten übrigens kleine Stege und Gräben die einzelnen Flächen. Sie verhinderten, dass die Farben ineinanderliefen. Später gab es gegen das Verlaufen eine spezielle Unterglasur.
Lissabon ist ein wahres Freiluftmuseum dieser Kunstform. In Vierteln wie Alfama, Mouraria und Bairro Alto leuchten die Fassaden der Häuser in kräftigen Farben und komplexen Mustern. Auch viele Kirchen und Klöster – darunter das Kloster São Vicente de Fora und die Kirche Igreja de São Roque – sind mit prächtigen Azulejos geschmückt. Hier zeigen die kunstvollen Fliesen vor allem religiöse Szenen und historische Ereignisse.
Im 19. Jahrhundert machte es der Siebdruck möglich, dass Azulejos industriell hergestellt werden konnten. Die Folge: Sie schmückten nun nicht mehr ausschließlich die Paläste, die Kirchen und die Fassaden der Bürgerhäuser, sondern auch immer mehr Fabrikgebäude und Mietskasernen. Selbst die Verkehrsknotenpunkte der Stadt wurden mit Azulejos verziert.
Zu finden sind sie unter anderem im Bahnhof Rossio und in zahlreichen Metro-Stationen, die seit 1959 von namhaften Künstlern gestaltet wurden. Die Haltestelle „Oriente” schmücken zum Beispiel bunte organische Formen von Friedensreich Hundertwasser. Auch Plätze wie der Praça do Comércio und der Rossio-Platz sowie viele Brunnen der Stadt sind mit wunderschönen Azulejos dekoriert.
Ein absolutes Muss für jeden Kunstliebhaber ist sicherlich das Museu Nacional do Azulejo. Untergebracht im ehemaligen Kloster Madre de Deus, widmet es sich vollständig der Geschichte und Entwicklung der Azulejos. Die Sammlung umfasst Werke vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart und bietet einen umfassenden Überblick über die Techniken und Stile, die diese Kunstform geprägt haben.
Die Ausstellung führt die Besucher durch die verschiedenen Epochen und zeigt, wie sich die Designs im Laufe der Zeit verändert und weiterentwickelt haben. Ein Highlight ist dabei das 23 Meter lange „Grande Panorama de Lisboa” aus Azulejos, das einen einzigartigen Einblick in das Leben und die Architektur der Stadt um 1700 bietet und deshalb auch dazu beitrug, dass Lissabon nach dem großen Erdbeben von 1755 in großen Teilen wieder originalgetreu aufgebaut werden konnte.
Autorin: Elisabeth Kapral
Als Juristin hat Elisabeth gelernt, exakt zu formulieren. Das kommt ihr jetzt zugute, wenn sie für travel4news schreibt. Worüber sie schreibt, weiß sie dabei ganz genau, denn sie hat bereits 108 der 193 in der UNO vertretenen Länder besucht – und viele von ihnen auch mehrfach.