Das Leben schreibt seine eigenen Geschichten. Selten verläuft es geradlinig, oft aber ist es unvorhersehbar und voller Überraschungen. Sei es die Liebe, die dazwischenkommt, eine neu entdeckte Leidenschaft oder ein Umzug in ein anderes Land: Die Gründe, warum sich Karrieren anders entwickeln als geplant, sind vielfältig. Fünf außergewöhnliche Hotelbesitzerinnen aus dem Herzen von Europa schildern ihre Erfahrungen auf dem Weg zum Erfolg.
Julia Prestia / Relais Roncolo 1888
Julia Prestia führt heute das erste Luxushotel der Emilia Romagna. Dabei begann ihre Karriere mit einem Wirtschafts- und Jurastudium. Es folgten lange Jahre in der Finanzbranche in London, ehe sich die Österreicherin 2015 schließlich den lang gehegten Traum vom eigenen Hotel erfüllte und gemeinsam mit ihrem italienischen Ehemann Giuseppe ein verfallenes Weingut erwarb.
Mehrere Jahre investierten sie viel Zeit, Geld und vor allem Leidenschaft in die Restaurierung der historischen Gemäuer, die zwischen Parma und Reggio Emilia in den Hügeln des Apennins liegen. Mit Erfolg, denn heute gehört das Relais Roncolo 1888 zu den „Small Luxury Hotels of the World” und die Gebäude mit ihren lediglich 17 Zimmern erstrahlen in neuem Glanz – dank Julias feinem Gespür für Stil.
Für die Gestaltung des Interieurs arbeitete die Gastgeberin eng mit dem lombardischen Unternehmen Molteni zusammen. Außerdem schmücken ausgewählte Designs von Patricia Urquiola, Vico Magistretti, Vincent Van Duysen, Thonet und Moltenis Gio-Ponti-Kollektion die Häuser. Die geschmackvolle Einrichtung aus minimalistischen, oft maßgefertigten Möbeln und historischen Fresken, alten Deckenbalken und edlen Parkettböden ergänzen von Julia persönlich auf Flohmärkten ausgesuchte Vintageschätze.
Das Traumprojekt auf 130 Hektar mit biologischer Landwirtschaft und Bio-Weinbau, einer der ältesten Essigkellereien der Region, Gärten, einem von Zypressen gesäumten Pool und einem Feinschmeckerrestaurant lässt die Herzen höher schlagen. So viel vom Glück der Gäste wieder zurück zu bekommen, erfüllt auch Julia und bestätigt sie darin, vor neun Jahren die richtige Entscheidung in der Emilia Romagna getroffen zu haben.
Lea Oberhofer / Hotel Sensoria Dolomites
Ihre DNA kann und möchte Lea Oberhofer – Gastgeberin des Vier-Sterne-Superior-Hotels Sensoria Dolomites am Fuße der Seiser Alm, nicht verleugnen. Als eines von vier Kindern einer Südtiroler Gastgeberfamilie liegt ihr der Beruf als Hoteliére im Blut.
Nach dem Besuch der Hotelfachschule in Meran zog es sie jedoch erst einmal weg von zu Hause. Es folgten ein BWL-Studium in Wien sowie ein Master in Marketing in Edinburgh. Weitere Stationen waren Mailand, Singapur und Paris. Insgesamt zehn Jahre verbrachte sie in der Ferne, vier davon in der Marketingabteilung der Modemarke Louis Vuitton.
Vor allem diese letzte Anstellung, aber auch alle anderen im Ausland gesammelten Erfahrungen, hätten ihren Blick für erstklassigen Service und wahre Gastfreundschaft geschärft, sagt sie. 2015 kehrte Lea Oberhofer zurück und entschloss sich, den elterlichen Betrieb in Seis am Schlern gemeinsam mit ihrem Mann Simon Leitner zu übernehmen. Den Ansatz der Eltern, den Gästen höchste Qualität zu bieten, führte sie fort, dachte ihn aber neu.
Ihre Vision war es, einen individuellen, authentischen Ort zu schaffen, der die Sinne berührt und die Gäste bereichert. Nach umfassenden Umbaumaßnahmen eröffnete das Sensoria Dolomites schließlich mitten in der für die Hotellerie so schwierigen Corona-Pandemie. 45 minimalistisch-elegante Zimmer, zwei Suiten, ein innovatives Spa und vielfältige kulinarische Genüsse umfasst seither das Herzensprojekt. „Luxus für die Seele“.
Lilly Fresacher / Hotel Jausern
Das Herz von Lilly Fresacher – der Gastgeberin im Hotel Jausern im österreichischen Saalbach – schlägt für ihre Gäste und für schöne Dinge. Die studierte Produktdesignerin ist gerne kreativ und begeistert sich für Kunst. Geerbt hat sie diese Leidenschaft von Mutter Christa. Die echten „Fresachers” der Seniorchefin – einer passionierten Malerin mit eigenem Atelier – und ihrer Tochter schmücken das ganze Haus.
Als Lilly im Jahr 2021 die Leitung des elterlichen Betriebes zusammen mit ihrem Mann Christoph übernahm, war klar, den Grundstock, die gelebten Werte sowie die „Good Vibes” zu bewahren und harmonisch zu integrieren. Es folgten ein behutsamer Umbau sowie eine Erweiterung des Hotels auf 31 Zimmer.
Die neuen, individuellen Freiräume kombinieren Qualität mit Lässigkeit und anspruchsvolle Architektur mit Wohlfühlfaktor. Gleichzeitig bieten sie jede Menge Platz, um im echten Leben und mitten im Urlaub anzukommen. Das Design der Unterkünfte ist dabei bewusst reduziert – auch im Hinblick auf das Thema Nachhaltigkeit.
Dieses ist Lilly Fresacher ebenso wichtig wie Female Empowerment. So fördert die zweifache Mutter die Sichtbarkeit von Frauen, bietet ihnen flexible Arbeitsplätze und arbeitet mit von Frauen geführten Unternehmen zusammen. Der Rückhalt ihrer Familie hat auch Lilly in ihrem Weg bestärkt. Nur so bleibt Zeit, sich Projekten wie ihren Kreativworkshops für die Gäste zu widmen.
Giselle Thurm / Hotel Das Rübezahl
Es gibt Menschen, deren Leben aus einem Filmdrehbuch entspringen könnte. So wie das von Giselle Thurm – der Gastgeberin des Vier-Sterne-Superior-Hotels Das Rübezahl in Schwangau im Allgäu. Die gebürtige Brasilianerin, deren voller Name Giselle Gorian Teixeira Thurm schon wie der des weiblichen Stars in einem Blockbuster klingt, zog wegen ihrer ersten Karriere nach Füssen.
Fern der Heimat wollte die Eiskunstlaufmeisterin von 1984/85 die besten Bedingungen und Trainer für ihren Erfolg bei den Olympischen Spielen finden. Übungsort und Unterkunft stellte der deutsche Eislaufverband. Für das Training musste sich Giselle aber etwas dazuverdienen. Mit Ehrgeiz und Fleiß ausgestattet, verkaufte sie tagsüber Souvenirs und arbeitete abends als Servicekraft im „Rübezahl”.
Dort traf sie auf einen jungen Küchenchef namens Erhard Thurm – den Sohn der Gastgeber – und eroberte sein Herz im Sturm. „Ich dachte, diese schöne Frau schickt der liebe Gott“, sagt Erhard Thurm heute lachend. Nach Monaten des Kartoffelschälens (so Giselle) und Wochen der Eroberung (so Erhard) wurden die beiden ein Paar.
Fünf Jahre später wurde geheiratet. Mit ihrem Sohn Alexander führen sie heute gemeinsam ihr luxuriös-lässiges Traumhotel mit Blick auf die Königsschlösser Neuschwanstein und Hohenschwangau. Tochter Franziska bietet Mental Health und Yoga Retreats an. Ein modernes Märchen vor märchenhafter Kulisse ist wahr geworden.
Marianne Daberer / Biohotel der daberer
Sie ist ständig in Bewegung, möchte Veränderung bewirken. Die Rede ist von Gastgeberin Marianne Daberer. Gemeinsam mit ihrem Bruder Christian führt sie das Biohotel der daberer im Gailtal inmitten schönster Natur.
Die Lage im köstlichsten Eck Kärntens und in der ersten „Slow Food Travel Region” der Welt verpflichtet. Dazu gehört zum Beispiel, nur gute, regionale und natürliche Lebensmittel zu verarbeiten. Aber „bio” beschränkt sich hier nicht auf den Genuss. Es beginnt beim Bauen, Wohnen und ökologischen Wirtschaften. Undogmatisch und authentisch, schwingt das bewusste Handeln für Mensch und Natur im Haus stets mit.
Allerdings hatte Marianne zunächst kein Interesse, den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Sie träumte vom Architekturberuf, studierte BWL und arbeitete als Controllerin. Erst 2006 kehrte sie in die Heimat und ins Hotel zurück. Dort beschäftigt sie sich mit Gestaltung, Design, Marketing und Kommunikation auf Social Media. Doch vor allem setzt sie sich ein für noch mehr Qualität, Region und Natur.
Als Gründungsmitglied des „Slow Food Convivum Alpe Adria” und Vorsitzende der „ARGE Slow Food Travel” arbeitet sie daran, die Bedeutung biologisch und regional produzierter Lebensmittel aufzuzeigen. Aktiv fördert sie lokales Handwerk und macht es für die Gäste erlebbar. So ist sie Hoteliére, Pionierin, Slow Foodie und Netzwerkerin in einer Person. Gutes und Schönes schaffen, hat sie als Lebensziel.
Autorin: Elisabeth Kapral
Als Juristin hat Elisabeth gelernt, exakt zu formulieren. Das kommt ihr jetzt zugute, wenn sie für travel4news schreibt. Worüber sie schreibt, weiß sie dabei ganz genau, denn sie hat bereits 108 der 193 in der UNO vertretenen Länder besucht – und viele von ihnen auch mehrfach.