Wiener Wein ist das Aushängeschild unter den Getränken aus Wien – das berühmteste und bei vielen auch das beliebteste. Aber Wien hat noch viel mehr Getränke mit Lokalkolorit zu bieten. Die Vielfalt ist überraschend, denn in der ganzen Stadt wird gekeltert, gebrannt, gebraut, gemischt und natürlich gekostet.
Wiener Wein
Schon die Kelten und Römer sollen in der Gegend des heutigen Wien erste Rebkulturen angelegt haben. Heute ist Wien die einzige Metropole weltweit mit nennenswertem Weinbau innerhalb der Stadtgrenzen. Dank 600 Hektar Weingärten können durchschnittlich rund 2,5 Millionen Liter pro Jahr produziert werden.
Auf rund 85 Prozent der Flächen wird Weißwein angebaut. Besonders beliebte Sorten sind Grüner Veltliner, Riesling, Weißburgunder, Chardonnay sowie eine echte Spezialität – der „Wiener Gemischte Satz”. Nur ein Wein, der aus mindestens drei Rebsorten besteht, die gemeinsam in einem Weingarten angebaut, geerntet und gekeltert werden, darf sich so nennen.
Einst stiefmütterlich behandelt, gibt es für diese Besonderheit mittlerweile die Qualitätsauszeichnung DAC sowie das prestigeträchtige Presidio-Siegel von Slow Food. Ganz aktuell hat die EU-Kommission im April 2024 den „Wiener Gemischten Satz” auf die Liste der Weine mit geschützten Ursprungsbezeichnungen gesetzt. Damit ist die Methode nun auch offiziell einzigartig.
Rund die Hälfte des Weins stammt aus dem hügeligen Nordwesten der Stadt. Dazu kommen traditionelle Anbaugebiete nördlich der Donau sowie im Süden Wiens. Den kleinsten Weingarten findet man übrigens im Herzen der Stadt am Schwarzenbergplatz. Am besten schmeckt der Wiener Wein natürlich vor Ort in einem von rund hundert Heurigen mit Wein aus eigenem Anbau.
In gemütlichem Ambiente genießt man dort auch kalte und warme kulinarische Spezialitäten. Nach dem Essen gibt es bei Bedarf ein „Stamperl” – einen kleinen Schnaps, wobei es sich meistens um verschiedene Obstbrände handelt. Wer es erfrischend mag, greift nicht nur beim Heurigen zum „weißen Spritzer” – halb Weißwein und halb Soda. Der gehört zum Stadtbild wie der Stephansdom und das Riesenrad.
Traubensaft und Sturm
Die alkoholfreie Variante ist der immer beliebter werdende Saft aus frisch geernteten und gepressten Trauben. Der Trend geht dabei klar zu Traubensaft in Premiumqualität. Wien ist sogar das erste Bundesland mit prämiertem Traubensaft. In „Ausgezeichnetem Wiener Traubensaft“, der von Fachjurys gekürt wird, landen ausschließlich Trauben aus Wiener Weingärten.
Wenn sich der Sommer zu Ende neigt, beginnt in Wien die Sturm-Zeit. Sturm ist Traubensaft, der begonnen hat zu gären – also gerade dabei ist, Wein zu werden. Er muss mindestens ein Prozent Alkohol haben und wird in Weiß, Rot und Rosé getrunken. Bei herbstlichen Wanderungen durch die Weinberge trifft man ihn in fast allen Betrieben an. Aber auch innerstädtisch gibt es ihn an jeder Ecke. Sturm sollte man übrigens mit der linken Hand trinken. Außerdem prostet man sich „Mahlzeit!“ zu, ohne anzustoßen.
Sekt
Wenn es etwas zu feiern gibt, stoßen auch die Wiener am liebsten mit Schaumwein an. Dabei können sie ebenfalls auf zahlreiche Produkte zurückgreifen, die tief mit der Stadt verwurzelt sind. Sekt – also eine Veredelungsstufe von Wein – wird in Wien von zahlreichen Winzern sowie von einigen echten Sektpionieren produziert.
Das Haus Schlumberger, zu dem heute auch die Wiener Marke „Hochriegl” zählt, wurde 1842 gegründet und ist somit die älteste Sektkellerei Österreichs. Auf viel Tradition blickt auch der ehemalige k. u. k. Hoflieferant Kattus zurück. Kaiser Franz Joseph soll sich jeden Sonntag eine Flasche „Kattus” gegönnt haben.
Beide Betriebe öffnen im 19. Bezirk auch ihre sehenswerten Kellerwelten. Die Beliebtheit des Sekts ist jedenfalls ungebrochen. Neun von zehn Österreichern konsumieren das Sprudel-Getränk laut „Sektreport“ gelegentlich – und immer mehr Menschen erfreuen sich auch an den unterschiedlichen alkoholfreien Varianten.
Bier
Mit dem Gerstensaft verbindet Wien eine noch längere Geschichte – galt die Stadt vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert doch als Hochburg der Bierbrauer. Heute gibt es mit Ottakringer nur noch eine Großbrauerei. Sie befindet sich im 16. Bezirk und dient auch als beliebte Location für Events und Partys.
Im Wiener Sprachgebrauch hat sich das „16er-Blech“ längst als Ausdruck für eine Dose „Ottakringer” etabliert. „16” steht dabei für den 16. Bezirk und „Blech” für das Dosenmaterial. Hauseigenes Bier schmeckt man aber auch in den rund 15 Gasthausbrauereien, die über ganz Wien verteilt sind.
Die junge Wiener Bierbrauer-Szene liefert dabei mit ihren Craft-Bieren immer neue Kreationen. In Wien sehr beliebt ist zudem der Radler – also Bier, das mit Limonaden oder Wasser gemischt ist. Das Bier wird in Wien übrigens in drei Größen serviert – „Pfiff” mit 0,125 Liter, „Seidl” mit 0,3 Liter und „Krügerl” mit 0,5 Liter.
Gin
Vor einigen Jahren hat Gin einen regelrechten Siegeszug durch die Bars und Wohnzimmer der Welt angetreten. Das Interesse an der farblosen Spirituose,die aus Wacholderbeeren und vielen duftenden Botanicals hergestellt wird, ist auch in Wien ungebrochen. Gin wird hier aber nicht nur getrunken, sondern auch hergestellt. Immer mehr Destillerien schießen aus dem Boden. Klimt und Co. zieren die Flaschen.
Einen Namen gemacht haben sich beispielsweise die Wiener Kesselbrüder, die Vienna Craft Distillery und Munakra Gin. An einer höchst prominenten Location – der Spanischen Hofreitschule – bietet Vienna Distiller seine Verkostungen an. Mit Alexandra Ghuneim, die das Gin-Label „HabibiDryGin” betreibt, stellt Wien auch die erfolgreichste weibliche Einzeldestillateurin. Übrigens sagen Experten, dass Gin nicht immer Begleitung braucht. Bloß mit Eis darf er nicht getrunken werden. Am beliebtesten ist aber weiterhin der G&T – Gin mit Tonic.
Wermut
Ähnlich im Trend liegt seit einigen Jahren der Wermut, obwohl es ihn eigentlich schon ewig gibt. Denn bereits im alten Ägypten und im antiken Griechenland wurde Wein mit Kräutern versetzt. Wie beim Wein gibt es Weiß‑, Rot- und Rosé-Varianten. Wermut gilt als dabei unkompliziert, ist als Aperitif beliebt und mit einem Alkoholgehalt unter 22 Prozent auch nicht zu stark.
Den traditionsreichsten Wermut aus Wien produziert seit 1891 die Firma Burschik, wo man ihn allerdings als „Vermouth” bezeichnet. Gleich hinter dem Westbahnhof kann man an Verkostungen und Führungen teilnehmen.
Der Wermut hat es dank der Cocktails „Martini” und „Negroni” zu besonderer Berühmtheit gebracht. Letzteren gibt es auch in einer Wiener Variante. Man mische Burschiks „Vermouth Red”, Wien Gin und den ebenfalls hier produzierten „Wiener Dirndl” (Likör aus der Kornelkirsche) zu gleichen Anteilen. Das Ergebnis ist ein sogenannter „Negroni, Oida!“
Noch mehr Spirituosen und Liköre
In Wien gibt es aber auch Produkte, die man nicht sofort mit der Stadt in Verbindung bringen würde. „Kalê” ist zum Beispiel ein aromatischer Kräuterlikör, der pur oder gemixt – etwa als „Kalê Spritz” oder „Kalê Sour” – getrunken wird. Zudem wäre Wien nicht Wien, wenn nicht auch der Kaffee seinen Weg ins Schnapsglas finden würde.
Der „Wiener Mocca” aus der Kaffeemanufaktur Naber ist beispielsweise ein kräftiger Kaffeelikör. Die Alt Wiener Schnapsmuseum GmbH produziert in Kooperation mit Manner wiederum Creme-Liköre, die wie flüssige Schokobananen oder „Neapolitaner Schnitten” schmecken. Darüber hinaus stellt das Traditionsunternehmen aus Wien-Meidling auch verschiedene hochprozentige Absinthe her.
Autorin: Elisabeth Kapral
Als Juristin hat Elisabeth gelernt, exakt zu formulieren. Das kommt ihr jetzt zugute, wenn sie für travel4news schreibt. Worüber sie schreibt, weiß sie dabei ganz genau, denn sie hat bereits 108 der 193 in der UNO vertretenen Länder besucht – und viele von ihnen auch mehrfach.