Bhutan und der Himalaya sind reich an Mythen und Sagen. Am bekanntesten dürfte dabei die Legende vom Yeti sein – dem haarigen Schneemenschen, der auch als „Abominable Snowman“ bekannt ist, im Himalaya haust und seit Hunderten von Jahren neugierige Entdecker in die Region zieht.
In Bhutan gibt es auch den Mythos des Kranichs, der für Langlebigkeit, Frieden und Wohlstand steht. Dem Glauben der Menschen zufolge trägt der Vogel die Seelen der Verstorbenen auf dem Rücken. Das Fabelwesen Yeti genießt aber so viel Respekt, dass die Bhutaner sogar den härtesten Wanderweg der Welt – den „Snowman Trek” – nach ihm benannt haben.
Jedenfalls wird in Bhutan schon den Kindern die Geschichte vom Yeti erzählt. Wer nachts allein in den Wald geht oder nicht auf die Eltern hört, den holt der haarige Schneemensch. Doppelt so groß wie ein Yak soll er auf 3.500 bis 5.000 Metern Höhe leben und angeblich eine hohle Stelle im Rücken haben, in die er Menschen steckt und davonschleppt.
Viele Bhutaner glauben auch im Erwachsenenalter noch an den „Migyo”, wie der Yeti hier genannt wird, und zollen ihm gehörigen Respekt. Mit dem 750 Quadratkilometer großen „Sakteng Wildlife Sanctuary” besitzt er sogar sein eigenes Schutzgebiet im Osten des Landes. „Migyo” bedeutet so viel wie „starker Mann“.
Falls man je einem Yeti begegnen sollte, haben die Bhutaner auch dafür eine Antwort parat. Bei einem männlichen Yeti lohnt es sich, bergauf zu laufen, da ihn die langen Haare behindern und er oft stolpert. Ist der Yeti weiblich, dann lautet die Empfehlung bergab zu laufen, denn die tief hängenden Brüste des Wesens erschweren die Verfolgung und verhelfen so zu einer erfolgreichen Flucht.
Versuche und Expeditionen, um den Yeti aufzuspüren und sein Geheimnis zu lüften, gab es in den letzten hundert Jahren viele. Ungeklärte Fußspuren im Schnee, mysteriöse Haarproben und Sichtungen bei dichtem Schneetreiben halten die Legende vom sagenumwobenen bis heute Schneemenschen lebendig.
Auch die Südtiroler Bergsteiger-Legende Reinhold Messner ist mit seinem Team nach Bhutan gereist, wo im Gangtey-Kloster im Phobjikha-Tal eine Yeti Haut oder die Leiche eines Michums – eines mythologischen Zwergmenschen – zu finden sein soll. Als ein Fotograf aus Messners Team heimlich Fotos machte, erkrankte er so schwer, dass er sofort ausgeflogen wurde. Nicht wenige Bhutaner glauben, dass dies mit einem Fluch zusammenhängt.
Mittlerweile ist Ausländern der Zutritt zu der inneren Kammer des Klosters untersagt. Das ungelöste Geheimnis um den Yeti beschäftigt die Reisenden aber trotzdem – auch wenn bisher alle Expeditionen ohne Erfolg waren. Das Volk der Brokpa, das im äußersten Osten Bhutans lebt, hat dafür eine einfache Erklärung: Die Füße der Yetis sind nach hinten gerichtet, was es den Menschen erschwert, ihn im Schnee aufzuspüren.
Ganz gleich, ob der Yeti wirklich existiert oder nur erfunden ist: Geschützt ist das mystische Wesen im Himalaya auf alle Fälle. In Bhutan dürfen nämlich mehrere Berge nicht bestiegen werden, da die Bhutaner glauben, dass dort die Götter wohnen.
Autorin: Elisabeth Kapral
Als Juristin hat Elisabeth gelernt, exakt zu formulieren. Das kommt ihr jetzt zugute, wenn sie für travel4news schreibt. Worüber sie schreibt, weiß sie dabei ganz genau, denn sie hat bereits 108 der 193 in der UNO vertretenen Länder besucht – und viele von ihnen auch mehrfach.