Bei vielen verhasst, von nicht ganz so vielen geliebt, aber von allen mit Füßen getreten: In unserem Alltag treffen wir immer wieder auf Treppen. Einige davon strotzen dabei vor Kreativität, Geschichte – und manchmal auch Irrsinn. Travelcircus hat zehn spektakuläre Treppen rund um die Welt ausfindig gemacht, bei denen schon mal der Atem stocken kann.
Haiku Stairs / Hawaii (USA)
Befindet sich Led Zeppelins berühmter „Stairway to Heaven” etwa gar auf Hawaii? Im Zweiten Weltkrieg – genauer im Jahr 1942 – wurde in den Koolau-Bergen auf der Insel O’ahu eine Treppe mit Holzstufen erbaut, damit die Bauarbeiter dort Telefonkabel für den Funkturm der US-Marine verlegen konnten. Insgesamt 3.922 Stufen vom Fuß bis zum Gipfel überwinden 600 Höhenmeter. Ungeübte Besucher benötigen für eine Tour rund fünf Stunden.
2003 wurden die sogenannten „Haiku Stairs” restauriert und das Holz durch Metallstufen ersetzt. Dennoch ist das Betreten der „Treppe in den Himmel” bereits seit den 1980er-Jahren illegal – und es ist auch nur über private Grundstücke möglich. Wer von der Polizei erwischt wird, muss mit einer Strafe von 1.200 US-Dollar und eventuell sogar Gefängnis rechnen.
Zudem ist das Besteigen der Treppe auch gefährlich. Schon viele Wanderer überschätzten ihre Fähigkeiten – mit fatalen Folgen! Dennoch gibt es immer wieder Unbelehrbare, die sich am Wachpersonal vorbeischleichen und die Treppe hinauf- und hinabsteigen. Deshalb hat der Gemeinderat 2021 auch den Abriss der Haiku Stairs” beschlossen. Die Arbeiten sollen Ende April dieses Jahres beginnen.
Tiger & Turtle / Duisburg (Deutschland)
Eine der berühmtesten Treppen der Neuzeit erinnert auf den ersten Blick nicht an eine Treppe, sondern vielmehr an eine Achterbahn. Heike Mutter und Ulrich Genth entwarfen „Tiger & Turtle” anlässlich der Auszeichnung des Ruhrgebiets als Europas Kulturhauptstadt 2010. Seither steht das Konstrukt als Metapher für die Umbruchsituation des Ruhrgebiets.
Immerhin 20 Meter ragt die Achterbahn-Treppe in den Himmel über der Heinrich-Hildebrand-Höhe in Duisburg und bietet damit Aussichten über den Rhein bis nach Düsseldorf. Bis auf den Looping ist die 220 Meter lange Konstruktion mit ihren insgesamt 220 Stufen seit der Eröffnung im November 2011 komplett begehbar. Das lohnt sich vor allem nachts, denn dann werden die Stufen von 880 LED-Lampen beleuchtet.
Huangshan Mountain / Huangshan (China)
Im Süden Chinas wartet nicht nur eine der weltweit spektakulärsten Treppen, sondern auch eine der weltweit spektakulärsten Felsformationen: Das Huangshan-Gebirge zieht mit seinen 72 Gipfeln jährlich rund 15 Millionen Besucher in seinen Bann. Die meisten geben sich dabei dem ultimativen Nervenkitzel bei einer Wanderung zum Lotusblütengipfel hin.
Mit 1.864 Metern ist er der höchste Ausflugspunkt von Huangshan. Bereits die Gondelfahrt zur Bergstation in 1.300 Metern Höhe sorgt für Adrenalin im Blut. Doch für die letzten 564 Meter bis zum Gipfel braucht es dann auch noch Schwindelfreiheit und Mut. Insgesamt 60.000 Treppenstufen winden sich um den Berg herum – teils sicher, teils weniger. Oft trennen nur ein Seil oder eine dünne Eisenstange die Stufen vom steilen Abgrund.
Die Wanderung dauert rund sechs Stunden. Doch trotz des drohenden Muskelkaters lohnt sich wohl kaum etwas so sehr wie diese Aussicht! Weiße, von üppigen Bäumen bewachsene Gipfel hüllen sich in weiche Wolken und entführen die Bergsteiger in ferne Welten. Sogar Filmproduzent James Cameron hat sich für seinen Kinohit “Avatar” vom Huangshan-Gebirge inspirieren lassen.
La Muralla Roja / Calp (Spanien)
Bereits seit 1973 schmückt der festungsartige Gebäudekomplex La Muralla Roja – übersetzt die „rote Wand” – von Ricardo Bofill die Küste der spanischen Stadt Calp. Mit geometrisch harten Linien lässt der Architekt damit die arabisch-mediterrane Baukunst neu aufleben.
Wer die Muralla Roja besonders beeindruckend findet, kann sogar darin wohnen: Die wunderschönen blauen Treppenhäuser führen zu 50 Wohnungen mit einer Größe von 60 bis 120 Quadratmetern. Die Dachterrassen sind mit Solarien, Pool und Sauna ausgestattet.
Während die Fassade der Muralla Roja im wahren Sinn des Wortes rot über den Klippen thront und einen Kontrast zu Himmel und Meer bildet, bettet sich das Blau der Treppen perfekt in die Landschaft der spanischen Ostküste ein. Bei gutem Wetter gehen die Stufen fließend in den Himmel über und symbolisieren damit Unendlichkeit.
Angels Landing / Zion Nationalpark (USA)
Zugegeben: Diese Treppe entspricht keinen symmetrischen Standards. Aber was gibt es Spektakuläreres als eine Treppe, die von Mutter Natur geformt wurde? Mit einer Höhe von 1.765 Metern ist „Angels Landing“ nicht nur einer der höchsten Berge im Zion-Nationalpark in den USA, sondern auch jener, der am häufigsten bestiegen wird.
Bis zum Gipfel müssen die Abenteurer einen 8,6 Kilometer langen Wanderweg meistern und dabei 453 Höhenmeter überwinden. Der erste Teil des Aufstiegs ist relativ flach und gesichert. Doch besonders die letzten Meter lassen selbst Adrenalinjunkies das Blut in den Adern gefrieren.
Mit einer Steigung von fast 90 Grad und nur durch eine Metallkette gesichert, führen die Steintreppen hinauf zu dem Punkt, wo dem Namen nach die Engel landen. Oben angekommen, können schwindelfreie Wanderer nicht nur 500 Meter tief zum Virgin River hinab sehen, sondern auch den Blick über den Nationalpark genießen.
El Peñón de Guatapé / Kolumbien
Der Fels von Guatapé – rund 400 Kilometer nordwestlich der kolumbianischen Hauptstadt Bogota – ist nicht nur Heimat einer der spektakulärsten Treppen weltweit, sondern auch ein Riese in jeglicher Hinsicht: 220 Meter hoch, 10 Millionen Tonnen schwer und 70 Millionen Jahre alt, bettet sich der Inselberg aus Granit in die Landschaft.
Trotz seines Alters wurde El Peñón offiziell erst im Jahr 1954 bestiegen – die Aktion dauerte insgesamt fünf Tage. Heute geht der Aufstieg etwas schneller vonstatten, wenn auch nicht weniger spektakulär: Zwischen 650 und 740 Stufen führen im Zickzack hinauf zum Gipfel und damit zu einem dreistöckigen Aussichtsturm, von dem die Besucher bis zu 500 Kilometer weit in die Ferne blicken können.
Chand Baori / Abhaneri (Indien)
Schon immer hatte Rajasthan mit Trocken- und Hitzeperioden zu kämpfen. In Abhaneri – etwas auf halbem Weg zwischen Agra und Jaipur – begann man deshalb bereits im 8. und 9. Jahrhundert nach Christus, den Stufenbrunnen Chand Baori zu bauen, um das Monsunwasser zu sammeln. Das für die Zeit höchst fortschrittliche Bauwerk widmete die Bevölkerung der hinduistischen Gottheit Harshat Mata.
Mit einer Tiefe von mehr als 20 Metern gilt Chand Baori als größter Stufenbrunnen des Landes. Insgesamt 3.500 Stufen verteilen sich auf 13 Stockwerke. Diente der Brunnen früher ausschließlich zum Sammeln von Wasser, gehört er heute zu den wichtigsten Touristenattraktionen der Region und diente auch schon als Kulisse für mehrere Hollywood-Blockbuster wie beispielsweise „The Dark Knight Rises”.
Manitou Incline / Manitou Springs (USA)
Ehemals als Standseilbahn eröffnet, gleicht der Manitou Incline im US-Bundestaat Colorado heute einem Fitness-Workout, das nur die sportlichsten Einheimischen und Touristen bezwingen. Auf einer Strecke von knapp 1,5 Kilometer sind 610 Höhenmeter zu überwinden, wobei die Stufen teils eine Steigung von bis zu 68 Prozent aufweisen.
Während Ungeübte oft mehrere Stunden für die 2.744 Stufen benötigen, liegt der Rekord bei 17 Minuten und 45 Sekunden. Oben angekommen, werden die Besucher mit einer herrlichen Aussicht über die Wälder und Berge Colorados belohnt.
The Vessel / New York (USA)
„The Vessel“ ist mit Abstand die jüngste Attraktion in dieser Auswahl der spektakulärsten Treppen der Welt: Erst im März 2019 eröffnete das Gebäude nahe des High Line Park im neuen New Yorker Bezirk Hudson Yards nach dem Entwurf von Thomas Heatherwick. Das ovale, bienenstockartige Gebäude besteht aus 154 Treppen, die über Plattformen verbunden sind. Insgesamt führen die 2.500 Stufen auf 15 Stockwerke.
Trotz seiner Höhe ist „The Vessel“ nicht als Aussichtsplattform gedacht, sondern dient in erster Linie als Kunst- und Kultur-Hotspot. Vor allem Fotografen werden aufgrund der Architektur Freude haben. Zwar ist der Eintritt kostenlos, dennoch sollten Besucher vorab ein kostenfreies Online-Ticket erwerben. Denn die Anzahl der Eintrittskarten vor Ort ist rar und neigt sich täglich schnell dem Ende zu.
Byrampen / Ålesund (Norwegen)
Ålesunds Hausberg – der Aksla – ist mit seinen 189 Metern nicht der höchste seiner Art. Doch die Treppe, die sich vom Stadtpark bis hinauf zur Aussichtsplattform Byrampen windet, ist dafür umso spektakulärer. 418 Stufen heißt es im Zickzack zu bezwingen – vorbei an zerklüfteten Felsen und saftig-grün bewaldeten Hängen.
Wer den Weg geschafft hat, wird mit einer wunderschönen Aussicht auf den Hafen belohnt – inklusive der Sunnmørsalpen im Hintergrund. Dank einer neuen LED-Beleuchtung kann die Treppe übrigens sogar im Dunkeln betreten werden. So bietet sich den Besuchern auch ein unvergessliches Panorama der beleuchteten Stadt.