Nach Tallinn 2011 trägt mit Tartu bereits zum zweiten Mal eine Stadt in Estland den Titel als Europäische Kulturhauptstadt. „Tartu 2024” wird als wichtigstes Ereignis in Estland im gesamten Jahr 2024 gehandelt. Ein Viertel der Bevölkerung ist in das Projekt eingespannt.
Mit knapp 100.000 Einwohnern ist Tartu die zweitgrößte Stadt des Landes. Sie wurde bereits 1030 erstmals urkundlich erwähnt und ist die regionale Hauptstadt Südestlands. Die am Rande von Europa gelegene Region ist die Heimat der indigenen Völker Seto und Võro sowie der Altgläubigen. Darüber hinaus gibt es hier eine blühende Wissenschaftsszene mit der weltweit führenden Universität von Tartu sowie einen lebhaften Startup- und IT-Sektor.
Inspiration für das Programm als Europäische Kulturhauptstadt 2024 bietet das künstlerische Konzept „Arts of Survival“. Im Mittelpunkt stehen dabei das Wissen, die Fähigkeiten und die Werte, die der Menschheit helfen werden, auch künftig ein gutes Leben zu führen.
„Das Motto „Arts of Survival“ wird aus verschiedenen Bereichen der Kultur interpretiert, von volkstümlicher und gastronomischer Kultur über Musik und Film bis hin zu bildender Kunst. Die Rolle und Bedeutung der Überlebenskunst hat sich dabei im Laufe der Zeit verändert. Niemand konnte die globale Pandemie vorhersehen. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine erschütterte selbst diejenigen, die in sicherer Entfernung blieben, und der Konflikt zwischen Israel und Hamas verblüffte durch seine schnelle Eskalation. Doch das letzte Jahr hat uns eine der wichtigsten Überlebenskünste gelehrt: Wir leben in einer Zeit, in der europäische Zusammenarbeit, Solidarität und Demokratie für das Überleben der Kultur entscheidend sind.”
Kati Torp, Künstlerische Leiterin von Tartu 2024
Der Schwerpunkt der Projekte und Veranstaltungen liegt auf Nachhaltigkeit, Ko-Kreation, lokaler Einzigartigkeit, Wissenschaft und Technologie. Insgesamt besteht das vielfältige Programm aus mehr als 1.000 Veranstaltungen ganz unterschiedlicher Ausrichtung. Einer der Höhepunkte ist beispielsweise das Massen-Kuss-Event „Kissing Tartu“, das tausende Menschen zusammenbringen soll, um die Botschaft der Liebe zu verbreiten.
Die Open-Air-Ausstellung „Wild Bits“ zeigt Technologiekunst in der renommierten Tech- und Kunstfarm Maajaam – und das Theaterstück „Business as Usual” bringt Details über den Geldwäscheskandal der Danske Bank auf die Bühne.
Das Programm umfasst außerdem eine Einzelausstellung des berühmten japanischen Künstlers Ryoji Ikeda, die aus einer Installation auf der Grundlage von Forschungsdaten des Instituts für Genomik der Universität Tartu und einer in Zusammenarbeit mit dem Estnischen Philharmonischen Kammerchor geschaffenen Klanginstallation besteht.
„unda” macht im Estnischen Nationalmuseum die Nacht zum Tag und begeistert Freunde elektronischer Musik mit Sounds, die vom renommierten Tallinner Kulturclub HALL kuratiert werden. Concerto Copenhagen und der Estnische Philharmonischen Kammerchor bringen gemeinsam die Musik von Georg Friedrich Händel und dem estnischen Komponisten Arvo Pärt auf die Bühne.
Auch deutschsprachige Protagonisten sind in zahlreiche Projekte involviert. So porträtiert der Kurzdokumentarfilm „Arts of Survival Documentaries” von Eva Kübar die Deutsche Hilda Ha, die mit ihrem kleinen Kind im Kreis Võru ein Leben im Wald abseits der Zivilisation führt – ohne Strom und fließendes Wasser.
„Stencibilty Goes Europe” zeigt wiederum die Besonderheiten der Straßenkunst in Tartu und stellt die wichtigsten Künstler dieser Szene vor. Im Jahr 2024 wird Tartu auch Gastgeber einer Sonderausgabe von Stencibility sein – einem Straßenkunstfestival, das seit 2010 in Tartu und anderen estnischen Städten stattfindet.
Unter dem Motto „Look into my Ice“ gestalten schließlich zehn Künstler aus Estland, Norwegen, Österreich und Deutschland spannende Gruppenausstellungen rund um das Thema Eis. „Look Me in the Ice” unterstützt dabei den transdisziplinären Austausch zwischen Kunst und Wissenschaft und schafft durch das Medium der Kunst erhöhte Aufmerksamkeit für den Klimawandel.
Die feierliche Eröffnung des Jahres der Kulturhauptstadt Europas in Estland findet am 26. Jänner 2024 in Tartu statt. Das Spektakel „All Becomes One” an den Ufern des Flusses Emajõgi wird die Verbundenheit von Menschen, Regionen und Epochen durch Bilder, Bewegung und Musik veranschaulichen.