Ein Blick in die verschiedenen Regionen zeigt, dass sich Italien kulinarisch keineswegs über einen Kamm scheren lässt. Auch die norditalienische Region Friaul-Julisch Venetien besticht durch ihre besondere und ganz eigene Küche.
Was in Friaul-Julisch Venetien auf den Tisch kommt, ist praktisch immer von lokalen Zutaten, traditionellen Zubereitungsarten und der großen Liebe der Friulaner zur Kochkunst geprägt. Wir werfen auf einer kulinarischen Reise durch Friaul-Julisch Venetien einen Blick in die Kochtöpfe zwischen Bergen und Meer.
Ein guter Fang für Gourmets
Entlang der Adria-Küste von Friaul-Julisch Venetien prägen Fisch und Meeresfrüchte die Küche. Selbst kleinste Orte bieten Spezialitäten an, die man schon ein paar Dörfer weiter vergebens auf der Karte sucht. So servieren beispielsweise die Restaurants auf der Sonneninsel Grado den „Boreto a la graisana“.
Dieses traditionelle Gericht – eine Art Fischeintopf mit Knoblauch, Weinessig und Pfeffer gekocht – kommt im Gegensatz ohne Tomaten aus und meist mit weißer Polenta auf die Teller. Es ist dies ein Indiz dafür, dass es bereits vor der Entdeckung Amerikas und somit auch der Verbreitung der pomodori bekannt war. Jedenfalls ist es – wie so viele Rezepte in Italien – ein Arme-Leute-Essen, das von den Fischern der Lagune erfunden wurde.
Für die Gäste der bezaubernden Hafenstadt Muggia – nur einen Katzensprung vom mondänen Triest entfernt – ist eine Kostprobe der „Scampi alla Busara“ absolute Pflicht. „Busara” bezeichnet einen speziellen Topf mit Siebeinsatz, in dem früher die Scampi getrennt vom leicht pikanten, mit Malvasia-Wein zubereiteten Tomaten-Sugo gekocht wurden.
Darüber hinaus gibt es unzählige weitere Beispiele für regionale Gerichte, die entlang der friulanischen Küste zubereitet werden. Nicht unerwähnt bleiben dürfen die „Sievoli sotto Sal“. Die für zwei bis drei Monate lang in Salz eingelegte Meeräsche wird ebenfalls mit Polenta serviert. „Bisato in Spèo“ – Aal am Spieß – hat wiederum im Städtchen Marano Lagunare eine große Tradition.
Forelle und Wein im Überfluss
Die Magredi – das Schwemmland zwischen Tagliamento, Cellina und Meduna – bietet mit ihren steinigen Böden ideale Bedingungen für den Weinbau, denn die Flusssteine dienen als Wärmespeicher für kühle Nächte. Die Winzergenossenschaft von Rauscedo macht sich diese Bedingungen zunutze und ist heute einer der weltweit größten Züchter von Rebsetzlingen. Neben dem Weinberg-Nachwuchs entstehen hier im „Friuli Grave” – dem größten Anbaugebiet der Region – auch frisch-fruchtige Weißweine, wie zum Beispiel der „Friulano”.
Die langen Flüsse in Friaul-Julisch Venetien begünstigen aber nicht nur den Weinbau. Ihr klares und sauberes Wasser eignet sich auch hervorragend für die Forellenzucht. Insgesamt deckt die Region 40 Prozent der nationalen Produktion ab. Seit Jahrhunderten wird die Forelle in den Gewässern Friaul-Julisch Venetiens gefangen, gezüchtet und geschätzt. Natürlich steht der beliebte Flussfisch auch auf vielen Speisekarten – ganz gleich, ob geräuchert, gekocht oder gebraten.
Die geräucherte Forelle von San Daniele ist eine kulinarische Institution und ein typisches Beispiel für ein tief in der Region verwurzeltes Produkt. Sie kommt in zwei Varianten auf den Tisch – als “Regina di San Daniele” und als “Fil di Fumo”. Je nachdem, ob der ausgenommene und trocken gesalzene Fisch kalt oder heiß geräuchert wird, entwickelt er unterschiedliche Geschmacksnuancen und Aromen. Kulinarische Highlights sind beide Varianten – und zusammen mit einem frischen „Friulano” ein echtes Erlebnis.
Schinken, Radicchio und Wein
Das hügelige Hinterland von Friaul-Julisch Venetien zwischen den Bergen und der Adria steht ebenfalls ganz im Zeichen des Weinbaus. Rund um Udine und Görz überlappen sich vier DOC-Gebiete – „Collio” nahe der slowenischen Grenze, „Friuli Isonzo” am gleichnamigen Fluss, „Friuli Colli Orientali” mit den meisten autochthonen Rebsorten Italiens und „Friuli Grave”.
Die renommierten DOCG-Gebiete „Picolit” (bekannt für seinen Dessertwein), „Ramandolo” mit seinem süßen „Verduzzo giallo“ und das sehr kleine „Rosazzo” ergänzen das grandiose Angebot an edlen Tropfen. Rebsorten wie Pinot Grigio, Pinot Bianco, Friulano, Sauvignon und Collio werden hier zu erstklassigen Weinen verarbeitet, die von Spitzenrestaurants in aller Welt bestellt werden.
Wo es feinste Weine gibt, sind andere kulinarische Spezialitäten meist nicht weit. So reift rund um San Daniele del Friuli der berühmte gleichnamige Schinken. Seinen einzigartigen Geschmack verdankt er der Kombination aus frischer Bergluft und der salzigen Meeresbrise, die von der Adria sanft über die Hügel weht.
Eine Spezialität der in Friaul-Julisch Venetien sehr engagierten Slow Food-Bewegung ist die Wurst „Pestât“ aus dem kleinen Ort Fagagna nordwestlich von Udine. Für die würzige Cremefüllung wird Lardo-Speck zu gleichen Teilen mit Gemüse und Gewürzen vermischt und dient vor allem im Winter als raffinierte Würze oder Basis für Suppen und Soßen.
Wer es lieber vegetarisch mag, dem sei die „Rosa di Gorizia” empfohlen – ein intensiv roter Radicchio mit leicht rosafarbener Maserung. Sein zartbitterer Geschmack und der knackige Biss machen ihn zu einer Delikatesse. Der Wintersalat schmeckt erst nach dem ersten Frost richtig gut und ist von Dezember bis Februar auf den regionalen Märkten zu finden. Traditionell essen die Bewohner von Görz ihre „Rosa” roh und mit gekochten Bortolotti-Bohnen oder je nach Geschmack mit geröstetem Bauchspeck oder gekochtem Ei.
Der steinige Weg zum Genuss
Schroff und felsig, birgt das Karstgebiet oberhalb der Hafenstadt Triest eine faszinierende Landschaft. Auf den ersten Blick scheint sie keine kulinarischen Köstlichkeiten hervorzubringen. Der Boden ist trocken, steinig und schwer zu bearbeiten. Ein Grund, aber kein Hindernis für die Winzer entlang der Weinstraße „Terrano”, die aus Malvasia und Ribolla Gialla erstklassige Weißweine keltern.
Ein weit über die Grenzen Friaul-Julisch Venetiens hinaus bekanntes Produkt aus der Karsthochebene ist das milde, angenehm aromatische und nur selten scharfe Tergeste-Olivenöl. Das extra native Olivenöl trägt das italienische DOP-Siegel für Produkte mit geschützter Ursprungsbezeichnung und muss mindestens 50 Prozent der autochthonen, kälteresistenten Sorte „Bianchera” enthalten.
Geschmacklich hoch hinaus
Wem es gerade in den Sommermonaten an der Küste zu heiß wird, der kann sich bei einem Abstecher in den Norden etwas abkühlen. Vor allem die Gegend um Tarvis beeindruckt mit einer atemberaubenden Naturkulisse, weiten Tälern, majestätischen Gipfeln und einem tausendjährigen Wald, der zu den ältesten Italiens zählt.
Beeindruckend ist aber auch die kulinarische Vielfalt dieser Ecke, die vor allem für ihre köstlichen Käse- und Wurstwaren bekannt ist – so zum Beispiel der Hartkäse „DOP Montasio”, der bereits seit dem 13. Jahrhundert in den Julischen Alpen entsteht. Sein Name stammt von der gleichnamigen Hochebene, auf der er traditionell hergestellt wird.
Karnien – im Nordwesten von Friaul-Julisch Venetien – birgt mit dem geräucherten Schinken von Sauris eine weitere Spezialität. Seinen unvergleichlich mild-süßlichen Geschmack verdankt er einer speziellen Räuchermethode mit Buchenholz aus den umliegenden Wäldern und dem besonderen Klima in Sauris – der höchstgelegenen Gemeinde Friaul-Julisch Venetiens.
Ebenfalls aus Karnien stammen die „Cjarsons“ – Teigtaschen, die früher oft als Wiedersehensessen für Familienmitglieder auf Wanderschaft zubereitet wurden. Aus einfachen, stets vorrätigen Zutaten und kulinarischen Mitbringseln entsteht ein süß-pikanter Mix – gefüllt mit Kartoffeln, verschiedenen Kräutern und wahlweise Feigen, Rosinen und Zimt. Im Laufe der Zeit hat jede Familie ihr eigenes Rezept entwickelt.
Eine weitere kreative Köstlichkeit entstand im 19. Jahrhundert in den Bergen von Pordenone aus der Not heraus – die „Pitina”. Um Wildfleisch haltbar zu machen, stellten die Einheimischen eine runde Salami her, die aus Fleisch, Rotwein und Gewürzen bestand, mit Polentamehl ummantelt und anschließend geräuchert wurde. Heute ist die innen leuchtend dunkelrote und außen strohgelbe Salami eine Spezialität und genießt als Slow Food-Produkt einen besonderen Status.
Wurst, Frico und Spargel
In der malerischen Ebene rund um Udine stehen die verschiedensten Wurstwaren aus Schweinefleisch ganz oben auf der kulinarischen Genussliste. Die Wurstvielfalt kennt dabei keine Grenzen: Jede Metzgerei hat ihre eigenen alten Rezepte, die seit Generationen überliefert und gehütet werden.
Was Genussreisende in den Fleischtheken von Friaul-Julisch Venetien sicherlich häufig finden, ist „Musetto”. Die Rohwurst wird in Wasser gekocht und zu Weihnachten traditionell zusammen mit in Trester eingelegten weißen Rüben als „Musét e Brovade“ serviert.
Ebenso deftig und schmackhaft ist der „Frico“ – ein beliebter Kartoffel-Käse-Fladen. Ursprünglich als Resteessen mit übrig gebliebenen Käsestücken gedacht, essen die Friulaner die knusprig gebratene Masse aus rohen Kartoffeln und unterschiedlich lange gereiftem Montasio auch heute noch gerne.
Während „Frico“ das ganze Jahr über auf den Speisekarten der Region zu finden ist, gibt es frischen Spargel natürlich nur im Frühjahr. Schon Kaiserin Maria Theresia hat sich weißen Spargel aus Tavagnacco nördlich von Udine liefern lassen. Ob im Risotto, als Suppe, überbacken alla Parmigiana oder mit hartgekochten Eiern: Zusammen mit einem Glas frischem „Friulano” von einem der umliegenden Weingüter ist der Spargel ein wahres Gedicht.
Autorin: Elisabeth Kapral
Als Juristin hat Elisabeth gelernt, exakt zu formulieren. Das kommt ihr jetzt zugute, wenn sie für travel4news schreibt. Worüber sie schreibt, weiß sie dabei ganz genau, denn sie hat bereits 108 der 193 in der UNO vertretenen Länder besucht – und viele von ihnen auch mehrfach.