Seit Anfang Mai steht das Istanbul Modern für das Publikum offen. Der Neubau des ersten Museums für moderne und zeitgenössische Kunst in der Türkei wurde vom Renzo Piano Building Workshop entworfen. Die offizielle Eröffnungsfeier soll zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden.
Der markante Neubau befindet sich am ursprünglichen Standort des Museums an der Uferpromenade von Karaköy – einem der geschichtsträchtigsten Stadtteile Istanbuls, an dem der Bosporus und das Goldene Horn aufeinander treffen.
Auf einer stattlichen Fläche von mehr als 10.500 Quadratmetern bietet das Istanbul Modern zweckmäßige Räumlichkeiten für ein vielseitiges Angebot an wechselnden Ausstellungen, interdisziplinären Bildungsprogrammen und Filmvorführungen.
Sein wahrer Schatz ist aber die umfangreiche, nun endlich wieder öffentlich zugängliche Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst aus der Türkei und darüber hinaus. Sie umfasst den Zeitraum von 1945 bis zur Gegenwart und demonstriert eindrücklich die künstlerischen Entwicklungen des Landes und der Welt.
Das Gebäude von Renzo Piano
Der Entwurf des Gebäudes – Renzo Pianos erstes Projekt in der Türkei – wurde durch das glitzernde Wasser des Bosporus und seine Lichtreflexe inspiriert. In Anlehnung an die Geschichte des Ortes, der seit Jahrtausenden als Hafen genutzt wird, soll der Umriss an Schiffe unterschiedlicher Größe erinnern, die zwischen Europa und Asien kreuzen, sowie an ein Meerestier, das aus dem Bosporus an die Küste gesprungen ist.
Die Fassade besteht aus einer Abfolge von 3‑D-geformten Aluminiumplatten, die im wechselnden Sonnenlicht eine schimmernde Hülle bilden und an Fischschuppen erinnern. Das Erdgeschoss bietet durch große Fensterfronten einen Blick auf die Uferpromenade und beherbergt die Museumsbibliothek, Bildungs- und Veranstaltungsräume, ein Café und einen Shop mit Kollektionen, die von den Ausstellungen des Museums inspiriert sind.
Das Museum
Richard Wentworths „False Ceiling” aus dem Jahr 2005 – einst eine der ikonischen Dauerinstallationen im ehemaligen Gebäude – heißt die Besucher auch hier willkommen. Eine breite zentrale Treppe verbindet die öffentlichen Bereiche des Museums und beherbergt die dreiteilige Installation „Your unexpected journey” von Olafur Eliasson, die von Istanbul Modern 2021 speziell für das neue Museum in Auftrag gegeben wurde.
Im ersten Stock befinden sich eine Fotogalerie, eine Pop-up-Galerie, Veranstaltungs- und Bildungsräume sowie ein Restaurant mit Außenterrasse und spektakulärem Blick auf den Bosporus. Im zweiten Stock wartet die ständige Sammlung des Museums und die Hauptgalerie für die Wechselausstellungen.
Das Museum verfügt auch über ein Auditorium mit 156 Sitzplätzen für Filmprogramme und interdisziplinäre Veranstaltungen. Eine einzigartige Aussichtsterrasse an der Spitze des Gebäudes schwebt über einem flachen Wasserbecken, das das gesamte Dach bedeckt, und bietet einen 360-Grad-Blick auf den Bosporus und die Stadt.
Das transparente und zugängliche Design des neuen Gebäudes soll das Ethos des Museums widerspiegeln – publikumsorientierte Ausstellungen und Programme, die von der künstlerischen Vielfalt der Gegenwart inspiriert sind. Errichtet wurde es mit Unterstützung der Eczacıbaşı Group – dem Gründungssponsor des Museums – und des Hauptsponsors Doğuş Group-Bilgili Holding.
Eröffnungsausstellungen im Istanbul Modern
Zur Wiedereröffnung wartet das Istanbul Modern mit fünf neuen Ausstellungen auf. Das absolute Highlight bildet dabei „Floating Islands”: Die bisher umfangreichste Schau der Sammlung des Museums zeigt mehr als ausgewählte 280 Werke von 110 Künstlern und zwei Künstlerduos, von denen die meisten zum ersten Mal ausgestellt werden.
Der erste Teil in der ständigen Galerie konzentriert sich auf die Kunst in der Türkei von 1945 bis in die 2000er-Jahre und folgt dabei einer chronologischen Achse. Im zweiten Teil der Ausstellung werden in der Galerie für Wechselausstellungen thematische Erzählungen aus der Türkei und dem Ausland gezeigt.
Zu den Höhepunkten gehören Werke von führenden Vertretern der modernen und zeitgenössischen Kunst der Türkei wie Fahrelnissa Zeid, Sarkis, Ayşe Erkmen, Gülsün Karamustafa, Nil Yalter und İnci Eviner sowie von international renommierten Künstlern wie Anselm Kiefer, Daniel Buren, Mark Bradford, Alicja Kwade, Haegue Yang und Laure Prouvost. Die Besucher werden zudem eine neu in Auftrag gegebene Installation von Refik Anadol entdecken.
- Always Here: Im Einklang mit der Verpflichtung des Museums, sich für zeitgenössische Künstlerinnen aus der Türkei einzusetzen, zeigt diese Ausstellung 17 Werke von elf Künstlerinnen, die durch die Unterstützung des 2016 eingerichteten „Women Artists Fund” in die Sammlung aufgenommen wurden.
- In Another Place: Die Fotogalerie des Museums ist die erste ihrer Art in der Türkei. Sie zeigt 22 unveröffentlichte Porträts, die der mit der „Goldenen Palme” ausgezeichnete Filmemacher Nuri Bilge Ceylan im Osten der Türkei aufgenommen hat.
- Genius Loci: Die Ausstellung am Eingang der kostenlos zugänglichen Bibliothek bietet einen Überblick über Renzo Pianos überzeugende Architektursprache. Sie untersucht aber auch detailliert den Entwurfsprozess und die strukturellen Komponenten des neuen Gebäudes.
- Constructing Architecture: Neue Arbeiten des Architekturfotografen Cemal Emden entschlüsseln die Bauphasen des Museumsgebäudes und den vielschichtigen und langjährigen Dialog zwischen Architektur und Fotografie.
Im Außenbereich des Museums sind zudem bedeutende Skulpturen zu sehen – darunter „The Most Beautiful of All Mothers” von Adrian Villar Rojas, Richard Deacons „House Version”, Tony Craggs „Runner”, Anselm Reyles „Atop an Underworld” und „Dust Falling”, Yılmaz Zengers „Ayça, As I See Her” und Selma Gürbüz „Europeans”.