Weihrauch – das Harz des im Oman wachsenden Boswellia-Baumes – war in der Antike so wertvoll wie Gold. In unseren Breiten ist sein stimmungsvoller Duft vorwiegend in Kirchen zu finden, wo Weihrauch als Zeichen der Gegenwart Gottes verbrannt wird.
In der arabischen Welt hingegen wird dem Olibanum eine viel größere Bedeutung im Alltag beigemessen. Hier wird es in Parfüms und Raumdüften verarbeitet, dient der Aromatisierung von Getränken, findet Anwendung in Naturheilverfahren und wird sogar zur Reinigung der Kleidung genutzt.
Ein Besuch im Oman lässt erfahren, wo das Harz herkommt, wie es hergestellt wird und was es so besonders macht. Denn der Südwesten des Landes gilt als Wiege des Weihrauchs – und hier hatte einst auch die sagenumwobene Weihrauchstraße ihren Ursprung.
Die meisten Reisenden besuchen die Region Dhofar aufgrund ihrer herrlichen Sandstrände, es lohnt jedoch auch ein Blick ins Hinterland. Immerhin hat die UNESCO hat das trockene Wadi Dawkah, in dem mehr als 5.000 Exemplare des Arabischen Weihrauchbaums wachsen, zusammen mit anderen Stätten entlang der Weihrauchstraße in Dhofar zum Weltkulturerbe erklärt.
Die historische Handelsroute führte damals vom Oman über den Jemen und Saudi-Arabien entlang des Roten Meeres bis nach Petra in Jordanien, hinein ins Heilige Land und weiter nach Alexandria in Ägypten. Einst sollen die Heiligen Drei Könige dem neugeborenen Jesuskind neben Myrrhe und Gold auch Weihrauch als Geschenk gebracht haben.
Auch bei den Pharaonen im alten Ägypten und bei den Kaisern des Römischen Reichs erfreute sich Weihrauch großer Beliebtheit. Sein markanter Duft entsteht, wenn das auf glühende Kohle gebettete Harz schmort. So kann sich seine entzündungshemmende und beruhigende Wirkung optimal entfalten. Der Handel mit Weihrauch bescherte Dhofar großen Wohlstand. Bis heute ist er neben dem Tourismus ein wichtiger Wirtschaftszweig für die Region.
Die Weihrauchbäume Dhofars gehören verschiedenen Clans, wobei das Ernterecht von Generation zu Generation an die männlichen Nachkommen weitervererbt wird. Die Ernte beginnt Ende März und dauert mehrere Monate an. Dabei wird die Rinde des Baumes an verschiedenen Stellen mit einem scharfen Messer geöffnet.
Es ist Feingefühl gefragt, denn ist der Schnitt zu tief, trocknet der Baum aus und stirbt. Zunächst zeigt sich das weiße, milchig schimmernde Olibanum nur spärlich, doch beim zweiten und dritten Anschnitt der Rinde wenige Wochen später „blutet“ der Baum die „Tränen Allahs“, wie das Harz auch bezeichnet wird, in größeren Mengen. Nach zwei bis drei Wochen Reifezeit können die Harztropfen geerntet werden.
Pro Saison liefert ein Baum einen Ertrag von vier bis acht Kilogramm Weihrauch. Qualität und Menge sind allerdings stark abhängig von der Größe des Baumes, seinem Zustand und der Lage. Von Bernsteinfarben über Gelb bis hin zu transparenten Tönen gibt es verschiedene Qualitätsstufen, die sich über die Farbe des Harzes definieren.
Generell gilt: Je heller die Färbung, desto reiner ist das Produkt. Der omanische Royal al-Hojari Weihrauch, der grünlich schimmert und fast transparent wirkt, gilt mit rund 300 Euro pro Kilo als teuerster weltweit. Seine Produktion umfasst aber lediglich fünf Prozent der Gesamternte des Landes.
Ob als Kosmetik, Seife, Parfüm, Öl, in Kerzenform, als Räucherstäbchen oder Kaugummi: Es gibt viele Weihrauchsouvenirs, die Touristen von ihrer Reise in den Oman mit nach Hause nehmen können. Erwerben lassen sie sich unter anderem in Salalah, wo sich der einzige Weihrauchbasar der Welt befindet.
Auch Unterkünfte in der Region haben das Weihraucherbe des Landes in ihre Konzepte integriert und machen es für Reisende erlebbar – so zum Beispiel das Alila Hinu Bay Resort nahe dem Fischerort Mirbat. Im Hotelrestaurant „The Orchard” begeben sich die Gäste im Rahmen eines mehrgängigen Menüs, bei dem verschiedenste orientalische Gerichte gereicht werden, auf eine kulinarische Reise entlang der alten Handelswege des Weihrauchs.
Sie verkosten dabei einen jemenitischen Dip mit Schwarzkümmelsamen, Safran und Kardamom zu Pita- und Khubz-Brot und eine hausgemachte türkische Tarhana-Suppe – zubereitet nach althergebrachter Art, indem ihre Teigbasis zwölf Tage lang zusammen mit etwas Gemüse fermentiert. Außerdem gibt es Lamm Shuwa.
Bei dieser omanischen Delikatesse wird das Fleisch – in einer speziellen Gewürzmischung mariniert, mit Datteln und Nüssen gefüllt und in Bananenblätter eingewickelt – in einem traditionellen unterirdischen Ofen über einen Zeitraum von 48 Stunden gart, sodass es besonders zart und saftig wird. Als Dessert wird griechisches Bougatsa mit Weihrauchcreme Pistazien und Honig zu Weihrauch-Vanille-Eis serviert.
Das Al Baleed Resort Salalah by Anantara in der Hauptstadt Dhofars wartet in seinem Spa mit verschiedenen Angeboten rund um den Weihrauch auf – wie beispielsweise Weihrauchöl, das bei Massagen genutzt wird. Darüber hinaus werden mit Weihrauchessenz aromatisierte Willkommensgetränke und Cocktails serviert und beim Betreten der Lobby strömt dem Gast der Duft des Olibanums entgegen.
In anderen Teilen des Landes ist das Thema Weihrauch aber ebenfalls ständig präsent. So ziert ein gigantischer weißer Weihrauchbrenner, der auf einem Felsen thront, den Stadtteil Riyam in der omanischen Hauptstadt Maskat. Auch am Flughafen von Maskat liegt das balsamisch-würzige Aroma von Weihrauch in der Luft. Hier sorgen in Metall gefasste elektrische Weihrauchspender dafür, dass abfliegende Gäste den Duft des Orients noch eine Weile in der Nase behalten.
Autorin: Elisabeth Kapral
Als Juristin hat Elisabeth gelernt, exakt zu formulieren. Das kommt ihr jetzt zugute, wenn sie für travel4news schreibt. Worüber sie schreibt, weiß sie dabei ganz genau, denn sie hat bereits 108 der 193 in der UNO vertretenen Länder besucht – und viele von ihnen auch mehrfach.