Die irische Hauptstadt Dublin hat eine neue Attraktion: Nach einer umfangreichen Renovierung ist das Oscar Wilde House wieder für Besucher zugänglich. Das Elternhaus von Oscar Wilde beherbergt heute das American College Dublin mit einer Reihe kunstbezogener Studiengänge, zu denen auch kreatives Schreiben gehört.
Der große Poet und Dramaturg wäre wohl begeistert, dass der Ort seiner Jugend am Merrion Square nun ein kreatives akademisches Zentrum ist. In diesen Mauern machte der kleine Oscar seine ersten Schritte und hier wurde er während der ersten zehn Jahre seines Lebens erzogen. Als Teenager besuchte Oscar Wilde das nahegelegene Trinity College Dublin und lebte während des ersten Jahres am College noch zu Hause.
Oscars Eltern – die als Dichterin „Speranza” bekannte Lady Jane Wilde und Sir William Wilde – waren beide selbst berühmte Persönlichkeiten der Dubliner Gesellschaft, lange bevor ihr Sohn Oscar die literarische Welt prägte. Ihr Haus war im viktorianischen Dublin über 21 Jahre hinweg berühmt wegen seiner samstäglichen Salons und seiner intellektuellen Zirkel. Nun ist es für Besucher immer sonntags geöffnet.
Im Herbst und Winter kann das Oscar Wilde House zwar nur mit geführten Touren am Wochenende besucht werden. Doch Martin, der die Touren leitet, ist ein großer Enthusiast und Storyteller. Er erklärt hingebungsvoll die spannenden Details der großen Tage der Bohème, als die Adresse „One Merrion Square” zu Oscars Kindertagen einer der berühmtesten Haushalte in Dublin war.
Oscars Eltern zogen 1855 hierher – nur wenige Monate, nachdem Oscar geboren wurde. Über zwei Jahrzehnte war ihr Haus ein kulturelles Zentrum in Dublin. Die Kinder des Ehepaares – Willie, Oscar und Isola – erlebten hier und im Merrion Square Park gegenüber eine idyllische Kindheit. Sie wurden zu Hause von zwei Gouvernanten unterrichtet und waren – unüblich für viktorianische Zeiten – auch bei vielen gesellschaftlichen Veranstaltungen dabei.
Die originalen, 250 Jahre alten irischen Eichendielen, auf denen diese Zusammenkünfte stattfanden, befinden sich noch in exzellentem Zustand. Auch die Bibliothek beherbergt immer noch jene Bücherschränke, die Oscars Vater errichten ließ.
Es war auch genau dieser Raum, in dem der junge Bram Stoker – Autor und geistiger Vater des Dracula – mit Sir William zusammensaß und – gehüllt in Tabakschwaden – die alten Mythen und Legenden Irlands, Zentraleuropas und Ägyptens diskutierte. Als junger Mann hatte William Wilde das Land der Pharaonen besucht und die große Pyramide von Gizeh erklommen.
Das hintere Erdgeschoss indes war Teil von Sir Williams medizinischer Praxis. Sein Konsultationszimmer befand sich auf der ersten Etage und beherbergt heute eine Ausstellung viktorianischer Medizinschränke, die eine Reihe seiner Instrumente beinhalten. Die erste Etage war jedoch mehr als das – sie war von 1859 bis 1874 auch die Bühne für „Speranzas” berühmten Salon.
Jeden Samstag-Nachmittag hielt Lady Jane hier ihre musisch-intellektuellen Versammlungen ab. Eingeladen waren die Größen der Stadt, um an schöngeistigen Konversationen, politischen Debatten, Poesie und Gesang teilzuhaben. Künstler wie Bram Stoker, John B. Yeats und Joseph Sheridan Le Fanu gehörten dabei zu den oft und gern gesehenen Gästen.
Eine Tour in dieses Ambiente kostet 18 Euro pro Person, dauert 90 Minuten und führt in die erstaunliche Geschichte der Familie Wilde. Die Einnahmen aus Touren und Events fließen in den Restaurierungsfond. Das Oscar Wilde House in Dublin firmiert als Non-Profit-Organisation und registrierte gemeinnützige Einrichtung.