Wer bei der Abreise aus dem Hotel etwas im Zimmer oder beim Pool vergisst, hat gute Chancen, sein Hab und Gut wieder zu bekommen. Die Gegenstände werden nämlich ein Jahr lang vom Hotel aufbewahrt. Meldet sich der Besitzer, bekommt er das Liegengelassene wieder.
Mitunter werden aber Dinge gar nicht vergessen, sondern von den Gästen absichtlich im Hotel zurückgelassen, berichtet Hermann Krammer, Area Managing Director CEE bei den Falkensteiner Hotels & Resorts. Sogar Skiausrüstungen. Und manchmal ziehen sogar erfahrene Mitarbeiter erstaunt die Augenbraue hoch. Etwa dann, wenn drei Woche nach der Abreise ein Gast per E‑Mail erklärt, dass seine Begleiterin ihre Hautcreme vermisst.
Der Tiegel müsse sich noch im Hotel befinden, in dem man – vor einigen Wochen – ein verlängertes Wellness-Wochenende verbracht habe. Daher solle das Hotel die Creme der Dame schicken. Umgehend. Oder erstatten. Postadresse und Bankdaten lagen bei – mit Frist, bis zu der Creme oder Geld „eingetroffen zu sein haben“ (!).
Freilich: Statt Creme oder Geld erhielt der Herr ein sehr höfliches Antwortschreiben. Er meldete sich auch nicht wieder. Vielleicht sah er doch ein, dass im Bad liegen gelassene, angebrochene Hygiene- und Körperpflegeartikel nicht zu jenen Objekten gehören, die ein Hotel auf Verdacht so lange aufbewahrt, bis ihr Besitzer sich meldet.
Generell gibt es aber in der Hotellerie sehr genaue – und streng befolgte – Regeln, was mit vergessenem und zurückgelassenem Hab und Gut der Gäste zu geschehen hat. Und eine angebrochene Creme, eine halbleere Zahnpasta-Tube oder ein Einwegrasierer landen im Müll. Ebenso wie Lebensmittel oder eine getragene, einzelne Sportsocke. Eine Frage der Hygiene.
„Die Regeln sind ganz klar und werden nicht von uns, sondern von Gesetzgeber, Wirtschaftskammer und den Versicherungen definiert“, erklärt Hermann Krammer, der unter anderem für sämtliche operativen Abläufe der Falkensteiner-Hotels verantwortlich ist.
Vergessenes und Zurückgelassenes ist dabei zwar kein dominierendes, aber doch ein sehr sensibles Thema, weiß er aus langjähriger Erfahrung: „Weil es da oft um emotionale Dinge geht: die vergessene Kuscheldecke eines Kindes, ein Stofftier oder eine Sonnenbrille, an der Erinnerungen hängen – das hat oft nichts mit dem tatsächlichen materiellen Wert des vergessenen Stückes zu tun“.
Umso wichtiger, so Krammer, sei daher eine ganz klare und transparente Lost-&-Found-Policy: „Vergessene Gegenstände werden ein Jahr lang bei uns im Haus aufbewahrt. Wenn es sich um Dinge handelt, die wir eindeutig zuordnen können und bei denen wir davon ausgehen, dass ihr Fehlen dem Gast Sorgen, Ungemach oder Probleme machen kann, versuchen wir nach Möglichkeit, den Kontakt herzustellen.“ Konkret also bei Ausweisen, Laptops, Wohnungsschlüsseln oder ähnlichen Dingen.
Der Hotel-Logistiker bittet aber auch um Verständnis, wenn die (vermeintlichen) Besitzer nicht bei jedem vergessenen T‑Shirt kontaktiert werden: Der Aufwand stehe da in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Denn gerade bei vergessenem Urlaubs- und Freizeitgewand, Handtüchern oder Sommer- und Strandausrüstung verschwimme die Grenze zwischen „vergessen“ und „entsorgen“ sehr oft.
Darüber hinaus, so Krammer, stelle sich auch die Frage der Rückstellungsmodalitäten: Gemäß den offiziellen Richtlinien geht die Rücksendung von Lost-&-Found-Objekten nämlich zulasten des rechtmäßigen Eigentümers. „Aber das ist dann oft Abwägungssache: Wenn wir die geliebte Kuscheldecke oder das Stofftier nach drei Tagen Suche im ganzen Resort und in der zentralen Putzerei tatsächlich finden, sollen wir wegen ein paar Euro wirklich die Freude der Besitzer über das Wiederbekommen schmälern?“
Andererseits sei es aber oft auch versicherungs- oder versandtechnisch relevant, wer eine Sendung in Auftrag gibt und bezahlt: „Wenn wir wertvollen Schmuck, eine komplette Fotoausstattung oder einen Laptop quer durch Europa schicken, ist das eine Entscheidung, die vor Ort ganz autonom getroffen wird.“
Generell komme es jedenfalls nicht selten vor, dass Gäste ihr Eigentum beim Check-out nicht zur Gänze im Gepäck haben, weiß Krammer. Zahlen und Statistiken gebe es dazu zwar nicht – aber eben Erfahrungswerte: „In den City-Hotels wird weniger vergessen als in der Urlaubhotellerie.“
In Stadthotels sei der Anteil der Geschäftsreisenden höher. „Auf einem Businesstrip räumt man den Koffer oft gar nicht aus. Man nimmt frische Socken und Waschzeug raus – und ist schon wieder weg: Da ist man viel organisierter und strukturierter als im Urlaub“, so Krammer. Im Ferienhotel – eine Woche und länger an einem Ort – verteilt sich hingegen viel mehr über viel mehr Fläche – Zimmer, Bade- wie Strandbereiche. „Wer da mit Kindern tatsächlich den totalen Überblick behält, muss ein ziemliches Organisationsgenie sein.“
Was alles in Hotels zurück bleibt, könne er beim besten Willen nicht pauschal beantworten, bedauert Krammer: „Es gibt nichts, was nicht vergessen würde.“ Und nichts, bei dem er darauf wetten würde, dass es zurückverlangt wird: „Spiegelreflexkameras, komplette Skiausrüstungen: Manchen Gästen ist auch Hochpreisiges nicht einmal ein Nachfragen wert.“
Manchmal – etwa bei Skiern und ähnlich sperrigem Gut – drängt sich sogar der Verdacht auf, dass es vielen Leuten einfach zu mühsam ist, ihr Eigentum einzupacken, zu transportieren und dann daheim zu verstauen. Oder zu entsorgen. „Also lassen sie es zurück. Und wir bewahren es, wie es das Gesetz verlangt, ein Jahr lang auf.“ Unabhängig von Wert, Größe oder Form.
Aber was passiert nach diesem einen Jahr? „Kommt ganz drauf an, was es ist“, antwortet Krammer: „Vieles müssen wir entsorgen. Abgetragene Kleidung etwa. Manches lassen wir karitativen Organisationen zukommen, versteigern es zugunsten von Charity-Aktionen unter den Mitarbeitern oder es kommt auf einen Weihnachtsbasar“.